In der Zeit als der Teddybär geboren wurde, wurde das “Wilde“ systematisch ausgerottet.
Für viele Generationen von Amerikanern war der Bär das Symbol für Gefahr schlechthin, weil er beispielsweise ihre Nutztiere tötete. Ende des 19. Jahrhunderts erklärte die amerikanische Regierung, dass Bären – und Raubtiere wie Koyoten und Wölfe – in der fortschreitenden Zivilisation keinen Platz mehr hätten und daher ausgerottet werden müßten. Der Grizzly wurde aus fast
95 % seiner damaligen Lebensräume eleminiert und in nur 10 Jahren wurde fast eine halbe Million Wölfe getötet.

Während eines Jagdwochenendes im Jahr 1902 verschonte der damalige amerikanische Präsident Theodore Roosevelt der Legende nach das Leben eines Schwarzbären. Das Ereignis wurde in einem politischen Cartoon dargestellt: Roosevelt stand vor einem ängstlichen Bären mit weit aufgerissenen Augen und winzigen Ohren. Die Zeichnung zeigte anstatt des üblicherweise dämonisierten Monsters einen kuschligen „Teddybären“. Und wie in einem Märchen… wenig später begannen viele Amerikaner, dem bis dato verbreiteten und sinnlosen Töten der Bären Widerstand zu leisten – sie wollten ihre Bären einfach ganz fest umarmen. So wurde die Geschichte über die in Amerika lebenden Bären umgeschrieben und die Überlebenschancen für diese Spezies hat sich dadurch geändert.

Geschichten haben Bedeutung.
Geschichten und Legenden, die wir uns über (wilde) Tiere erzählen, können vollkommen irrational, sentimental-rührselig, “vergiftet“ grell oder irreführend vermenschlicht sein. Häufig sind sie persönlich gefärbt und haben mit wissenschaftlichen Tatsachen sehr wenig zu tun. In einer Welt, in der viele Spezies unseren Schutz zum Überleben benötigen, haben diese Geschichten reale Folgen. Denn was der Mensch für ein Tier empfindet, beeinflusst dessen Überleben stärker als alles andere. Mit anderen Worten: Ob und wie Tiere leben (dürfen), hängt von unserem Ermessen ab. Der australische Philosoph Peter Singer führte dazu den Begriff des Speziesismus ein, der unser Gefühl der Überlegenheit allen nichtmenschlichen Lebewesen gegenüber und die daraus entstehende moralische Diskriminierung von Geschöpfen ausschließlich aufgrund ihrer Artzugehörigkeit beschreibt.

Andere Länder, andere Sitten… der Bär als Zuchttier.
Vor ein paar Tagen las ich einen Artikel, in dem berichet wurde, dass die nationale Gesundheitskommission in China glaubt, mit dem Heilmittel Tan Re Qing Covid-19 behandeln zu können. Neben Kräutern und Ziegenhorn enthält dieses Heilmittel die Gallenflüssigkeit von Bären.

Schon seit dem 8. Jahrhundert spielt Gallenflüssigkeit bei der Behandlung von Lungenkrankheiten in der Traditionell Chinesischen Medizin eine große Rolle. Inzwischen allerdings läßt sich die Säure problemlos synthetisch herstellen. Kein Bär müßte gequält werden.

Leider wird aber weiterhin nicht auf die tierische Zutat verzichtet, da man sich von ihr eine bessere und schnellere Heilung verspricht. Seit etwa 50 Jahren werden in Nordkorea und China Bären in Farmen gezüchtet, alleine um Gallenflüssigkeit, die in einem grausamen Prozess abgezapft wird, zu produzieren. Noch effektivere Heilung verspricht – so die geläufige Legende – die Galle von in Freiheit lebenden Tieren.

Unsere schizophrene Beziehung zu Tieren …
Erinnerst Du Dich an der Löwen Cecil? Vor zwei Jahren waren nicht nur Tierschützer entsetzt zu hören, dass Cecil, das Wahrzeichen des Nationalparks im Nordwesten Simbabwes, von einem Jäger auf perfide Weise erschossen worden ist.

Aber sind wir nicht auch ein bißchen verrückt?
Wir sind empört, dass ein majestätischer Löwe getötet worden ist oder wenn wir von Hundekämpfen erfahren.
Wir weinen vor Rührung, wenn die Feuerwehr Entenküken erfolgreich aus dem Gulli gefischt hat und bringen Schreikranichen bei, im Winter nach Süden zu ziehen, indem wir sie gesteuerten Flugkörpern hinterherfliegen lassen.

Und andererseits lassen wir es zu, dass Großkatzen als Ware für die Unterhaltungsindustrie verkommen, wir lassen Jagd-Tourismus zu, handeln mit Organen exotischer Tiere für beispielsweise die Herstellung Traditionell Chinesischer Medizin.

… auch innerhalb unseres Kulturkreises
Wir haben kein Problem damit, unseren Hund mit einem Bio-Leckerli zu verwöhnen, während das Schweinekotelett auf dem Grill liegt. Dabei ist erwiesen, dass Hunde und Schweine ein identisches Niveau von kognitiven Fähigkeiten haben.

Warum machen wir einen Unterschied zwischen dem gewaltsamen Tod eines Löwen und dem einer Kuh oder eines Schweins?
Wie können wir unsere Gefühle für bestimmte Tiere mit unserem Umgang von sogenannten Nutztieren in Einklang bringen?
Warum versuchen wir einigen Spezies das Überleben auf dem Planeten zu ermöglichen, während wir andere mit scheinbarer Leichtigkeit quälen und schlachten?

Ein häufig zu hörendes Argument lautet: Wir tun es, weil wir es können und weil es – kulturell bedingt – schon immer so gewesen ist.
Ich denke, es ist an der Zeit, dass das Raubtier Mensch seine Geschichten über den Umgang mit nicht-menschlichen Tieren neu erfindet und sich über lebendige „Teddy-Tiere“ freut. Bist Du dabei?